Vorstellung des Bandes „Menschenbilder – Gottesbilder“

Vierte Auflage der „Spruchquelle Q“
12. Dezember 2013
Der aktuelle Kommentar zum Ersten Thessalonikerbrief
11. September 2016

Vorstellung des Bandes „Menschenbilder – Gottesbilder“ bei der CBM-Jahrestagung 2016 in Würzburg durch Christoph Heil und Rudolf Hoppe

Die CBM-Tagungen 2011 bis 2013 widmeten sich den Gleichnissen mit dem Ziel, einen neuen Band zur Gleichnisauslegung für die kirchliche und schulische Praxis, die universitäre Lehre, aber auch für „gebildete Laien“ vorzulegen.

Der Aufsatzband ist 2016 erschienen. Der Band über die Gleichnisse Jesu folgt der Grundausrichtung des CBM: Die Beiträge wenden besonders die historisch-kritischen Methoden an und möchten so zu einer theologischen Interpretation der Texte gelangen.

Das schließt z.B. die Rückfrage nach dem historischen Jesus mit ein, die für uns trotz aller methodischen Probleme möglich und theologisch absolut notwendig erscheint. Damit setzen wir uns von dem 2007 erschienenen „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ ab, das programmatisch auf historische Rückfragen verzichten will. Wir folgen auch nicht dem Vorschlag des Herausgebers des Kompendiums, Ruben Zimmermann, der die formgeschichtliche Differenzierung der Gleichnisse ablehnt und nur noch von „Parabeln“ sprechen möchte. Die Begründung, dass sich diese Differenzierung nicht auf die antike Poetik und Rhetorik zurückführen lasse, ist nicht überzeugend. Dann müsste man auch auf andere Gattungsbezeichnungen wie
„Apokalypse“ verzichten. Die formgeschichtliche Differenzierung der Gleichnisse, die auf Jülicher und Bultmann zurückgeht, hat sich jedoch – auch bei manchen Unschärfen im Detail –
insgesamt als heuristisch hilfreich erwiesen und sollte beibehalten werden. Dieser Befund wird auch dadurch bestätigt, dass manche Beiträge im „Kompendium“ von Zimmermann sehr wohl nach dem historischen Jesus zurückfragen und auch die bewährte formgeschichtliche Differenzierung beibehalten.

Eine weitere Besonderheit unseres Gleichnisbandes ist die besondere Berücksichtigung der schon von Rudolf Bultmann und Karl Rahner geforderten „anthropologischen Wende“ der Theologie. Man kann nicht von Gott sprechen ohne gleichzeitig vom Menschen zu sprechen. Das zeigt sich besonders in den Gleichnissen Jesu und wird in unserem Band auch besonders beleuchtet.

Stephan Witetschek hat die methodische Grundlegung verfasst. In seinem Beitrag „Gleichnisse und Gleichnisauslegung“ gibt der Münchener Privatdozent eine Definition der Gattung „Gleichnis“. Zunächst hält er gegen Zimmermann fest, dass Gleichnisse nicht notwendig narrativ sind. Gleichnisse im engeren Sinn oder Bildworte sind es nicht. Ferner stimmt er Zimmermann zu, dass Gleichnisse fiktional sind und gleichzeitig einen Realitätsbezug aufweisen. Das Gleichnis zeigt durch Transfersignale an, dass es eine Relevanz und eine Appellstruktur für die Leserin bzw. den Leser besitzt, die sich über der Bildebene hinaus auf der Sachebene ergibt. Den Transfer müssen die Leserin bzw. der Leser leisten.

In der Auslegung von Gleichnissen wendet sich Witetschek gegen „wildes Allegorisieren“ durch Beachtung der historischen, literarischen und rezeptionsästhetischen Dimension eines bestimmten Gleichnisses.

Die Frage, inwieweit die Gleichnisse auf den historischen Jesus zurückgehen, beantwortet Witetschek so: „Die Gleichnisse … sind keine wörtlichen Mitschriften von dem, was Jesus tatsächlich gesagt hat. Sie erfassen aber den Kern seiner Botschaft vom Königtum Gottes und ordern dazu heraus, sich um das Verständnis dieser Botschaft zu bemühen, sie sich anzueignen und sie im eigenen Leben zur Anwendung zu bringen.“

Von Rudolf Hoppe stammt dann der nächste Beitrag „Synoptische Bildworte – eine Lebenslehre“, der auf einen Vortrag beim CBM-Treffen 2012 in Passau zurückgeht. Er sieht in den Bildworten einen spezifischen Beitrag zur theologischen Anthropologie: Hier werde der Hörerin und dem Hörer bewusstgemacht, „wer er ist, an welche Grenzen er stößt, dass er sein Leben verlieren kann, aber auch welches Potential er zum Gewinn des Lebens in sich trägt“. Exemplarisch führt Rudolf Hoppe das an den Bildworten aus Q vom blinden Blindenführer (Mt 15,14 / Lk 6,39), vom Schüler, der nicht über seinem Lehrer steht (Mt 10,24f. / Lk 6,40), vom Splitter und Balken (Mt 7,3-5 / Lk 6,41f.) vom Maß, mit dem gemessen wird (Mt 7,2b / Lk 6,38b), und vom Dienst am Mammon und Dienst an Gott (Mt 6,24 / Lk 16,13) durch. Die Bildworte zeigen, „dass der Mensch dann zum Leben kommt, das diesen Namen verdient, wenn er sich in die Schöpfungsordnung Gottes einfügt und die Kraft gewinnt, in realistischer Selbstwahrnehmung seine sozialen Beziehungen zu gewinnen“.

Nach Beiträgen von Lothar Wehr zu „Mk 4,3-9.26-29.30-32 – die Gegenwart der Gottesherrschaft – ein Anfang, der Großes verheißt“ und von Lorenz Oberlinner zu „Mt 13,44-46 – Gottes
Reich – das alles übertreffende Geschenk für die Menschen“ liest Rudolf Hoppe in seinem Beitrag „Lk 14,(15)16-24 – Gottes Einladung zum Festmahl und die Prioritäten der Eingeladenen“ die Q-Parabel im lukanischen Kontext. Zunächst einmal habe die Parabel die Funktion, die Durchsetzungsfähigkeit der Sendung Jesu zu unterstreichen. Ferner gehe es darum, dass die Befreiung vom Status- und Prestigedenken ihre Bestätigung bei Gott finden wird.
Diese Befreiung schließt auch die völlige Besitzlosigkeit (Lk 14,33) ein. In der Verkündigung des historischen Jesus zeigt die Parabel, dass die βασιλεία auch durch menschliche Widerstände nicht aufzuhalten ist und dass es absolut dringlich ist, die Einladung zur Teilhabe an der βασιλεία anzunehmen. In der lukanischen Redaktion wird der Gastgeber zum exemplarischen Vollzieher der Gastgeberregel in Lk 14,12-14: Die Armen, Krüppel, Blinden und Lahmen werden eingeladen, die Reichen werden kritisiert.

Gerhard Hotze legt Lk 15,1-32 unter der Überschrift „So ist Gott“ aus. Eine Vorfassung dieses Beitrags wurde 2013 bei der CBM-Tagung in München vorgetragen.

Gerd Häfner steuert einen Beitrag zur Parabel von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1-16) mit dem Titel „Anstößige Güte“ bei. Er ist manchen von uns bekannt von seinem Vortrag, den er 2011 bei der CBM-Tagung in Schmerlenbach bei Aschaffenburg gehalten hat und der dann in der Festschrift für Rudolf Hoppe erschienen ist.

Unser im Juli 2016 verstorbener Kollege Heinz Giesen hat die Beispielerzählung vom Pharisäer und Zöllner in Lk 18,9-14 ausgelegt. Abgesehen von der Rahmung geht das Gleichnis nach Giesen im Wesentlichen auf den historischen Jesus zurück. Die lukanische Redaktion habe dessen Intention aufgenommen und unterstrichen. Jesus fordert seine Hörerinnen und Hörer dazu auf, „sich zu fragen, ob sie zu denen gehören, die überzeugt sind, gerecht zu sein und in ihrem übersteigerten Selbstvertrauen den Übrigen mit tödlicher Verachtung begegnen“.
Dabei gehe es um „das richtige oder falsche Gottesbild, das sich auf das Verhalten zu Menschen auswirkt“. Giesen fasst zusammen: „Nach Jesus erbarmt sich Gott eines jeden, der sich
vertrauensvoll wie der Zöllner an Gott wendet. Deshalb ist eher von einem Gleichnis über den barmherzigen Gott als von einem Gleichnis über einen selbstgerechten Pharisäer und einen bußfertigen Zöllner zu sprechen.“

Claus-Peter März, der die CBM-Tagung 2010 zum Hebräerbrief gestaltet hat, bietet eine Deutung der Parabel von den zehn Jungfrauen in Mt 25,1-13. Sie steht im eschatologischen Kontext von Mt 24f., der von der Erwartung des baldigen Kommens des Menschensohns geprägt ist. Im Ausbleiben des Bräutigams sieht März die Erfahrung der Parusieverzögerung gespiegelt.
In dieser Situation empfiehlt die Parabel Klugheit, d.h. sich entsprechend einzustellen, um im nicht vorhersehbaren, entscheidenden Moment bereit zu sein. Bezüglich der traditionsgeschichtlichen
Frage hält März den Grundbestand für jesuanisch, wobei der Bräutigam dann für Gott gestanden habe. Die matthäische Redaktion christologisiert die Parabel und fügt vor allem den negativen Schluss von der geschlossenen Tür ein, um die Notwendigkeit der Wachsamkeit zu betonen.

Hanneliese Steichele behandelt die bildhafte Rede vom Weltgericht in Mt 25,31-46.

Hanna-Maria Mehring versteht die Beispielerzählung vom barmherzigen Samariter als didaktisches exemplum Jesu. Er will die im Frühjudentum übliche Debatte um die genaue Definition derer, die in den Genuss der Nächstenliebe kommen, aufbrechen und überschreiten. Dazu dient ihm der Samaritaner, der in der lukanischen Redaktion als ethnisch und religiös Fremder und Feind erscheint. Gerade er erweist sich als idealer Erfüller des Tora-Gebots der Nächstenliebe und wird damit selbst zum Gesetzeslehrer. Im lukanischen Kontext, so Mehring werde der Samaritaner zur Identifikationsfigur der Jesus-Nachfolgerinnen und -Nachfolger.
Die Beispielerzählung diene so als „Strategie der Statusaufwertung“ für die eigene Gruppe.

Markus Lau blickt in seiner ausführlichen narrativen und sozialgeschichtlichen Auslegung der Beispielerzählung Lk 16,19-31 „mit Lukas ins Jenseits“ – „oder: Reichtum ist gefährlich“.
Lau behandelt damit die dialektische Bedeutung des „Mammons“ im Lukasevangelium. Einerseits soll er innerweltlich für die Armenfürsorge eingesetzt werden. Wird er das nicht, entfaltet er für den Reichen im Jenseits seine zerstörerische Kraft. Die Beispielerzählung biete dagegen eine „Hadesvermeidungsstrategie“: Der Reichtum soll mit den Armen geteilt werden, was auch der Schrift entspreche.

Sowohl Frau Mehring wie Herr Lau haben Vorfassungen ihrer Beiträge 2013 bei der CBM-Tagung in München in Arbeitsgruppen vorgetragen.

Christoph Heils Beitrag lautet „Klugheit und Phantasie (Lk 16,1-8a.8b-13). Die Parabel vom unehrlichen Verwalter“. Auf ihn folgend interpretiert Sebastian Schneider die Parabel vom
unbarmherzigen Sklaven in Mt 18,23-35 unter der Überschrift „Wehrhafte Liebe“.
Obwohl sämtliche Gleichnisse der synoptischen Evangelien im Johannesevangelium fehlen, geht die neuere Forschung gegen Jülicher davon aus, dass sich auch im vierten Evangelium christologisch zentrierte Gleichnisse und Bildworte finden. Johannes selbst verwendet dafür den Begriff παροιμία („Bildrede“). Von daher behandelt Georg Rubel die Bildrede vom Weinstock und den Reben in Joh 15,1-8 als Beispiel für gleichnishafte Sprache im Johannesevangelium.
Hier handle es sich um ein ganzes metaphorisches Netzwerk mit vertrauten landwirtschaftlichen Bildern, die aus der alttestamentlich-jüdischen Tradition heraus verstanden werden wollen. Ein Ich-bin-Wort wird stärker entfaltet und zu einer Bildrede erweitert, die bezüglich ihrer Gattung allerdings kaum Parallelen hat und eher ein Text sui generis darstellt. Der Autor des vierten Evangeliums wollte nach Rubel die Christen in der Zeit der Bedrängnis und der Verfolgung davor warnen, den Gemeindeverbund zu verlassen. Die Gemeinschaft mit Jesus soll vielmehr gewahrt werden, wodurch der Vater verherrlicht wird.

Der Band wird abgeschlossen von einem religionspädagogischen und einem pastoraltheologischen Beitrag. Beide beziehen sich dabei auf Lk 15,11-32.

Georg Bubolz, früherer Regierungsschuldirektor beim Düsseldorfer Kultusministerium und einigen von uns bekannt von seinem Vortrag bei der CBM-Tagung 2011 in Schmerlenbach bei Aschaffenburg, bietet Überlegungen zu den Gleichnissen Jesu für die Praxis im Religionsunterricht. Ihm geht es dabei um eine gute historisch-kritische Grundlegung, die dann allerdings – soweit es die Grenzen der Interpretation erlauben – rezipientenorientiert offenbleiben muss.
Schülerinnen und Schüler müssen sich mit Figuren der Gleichnisse identifizieren können und sich die Texte so aneignen.
Bubolz betont meines Erachtens völlig richtig einerseits, dass Gott und Mensch in den Gleichnissen Jesu ihre gebührende überraschende Offenheit und Nicht-Festgelegtheit behalten müssen. Andererseits unterstreicht er ganz richtig die Bedeutung der historischen Sachinformationen, die die Lehrerin bzw. der Lehrer den Schülerinnen und Schülern geben muss, um grob textwidrige Deutungen der Gleichnisse zu vermeiden.

Bernd Lutz bietet im Blick auf Lk 15,11-32 pastoraltheologische Überlegungen zum Umgang mit Gleichnissen. Er überschreibt seinen Beitrag mit „Gleichnisse – vertraut und doch so anders“.

Wir danken zunächst natürlich den Beiträgerinnen und Beiträgern zum Band, die sehr gut und kollegial mit den Herausgebern zusammengearbeitet haben. Dann danken wir dem im Patmos- Verlag für die Theologie zuständigen Lektor Volker Sühs, der uns sehr zuverlässig, geduldig und dann vor allem immer schnell unterstützt hat. Nachdem das Manuskript im März 2016 an den Verlag ging, hat uns Herr Sühs von Mitte Mai bis Anfang Juli dreimal Druckfahnen zur Korrektur geschickt.
Bei der Lektüre haben uns die Sekretärin und die studentischen Hilfskräfte von Christoph Heil in Graz geholfen.

Weitere Informationen zu der Publikation finden Sie hier.

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